2025 läuft eher so mau. Das führt zu Angst. Denn wenn man sich online umsieht, stößt man immer wieder auf hitzige Diskussionen. Oft mit folgender Frage: Ist es jetzt an der Zeit, „alles“ zu verkaufen? Und ich frage mich: Warum?
Warum Panikverkäufe keine gute Strategie sind
Viele Anleger neigen dazu, bei schlechten Marktentwicklungen in Panik zu geraten und überstürzt zu verkaufen. Die aktuelle, eher ungünstige wirtschaftliche Entwicklung scheint für viele ein schlagkräftiges Argument dafür zu sein. Aber ist das wirklich der richtige Maßstab?
Das ist meiner Meinung nach zu kurzsichtig gedacht. Wenn immer nur die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung betrachtet wird, würden wir alle zu Trader mutieren und ich hätte beispielsweise im Februar / März 2020 und nochmal 2021 / 2022 mein komplettes Depot auflösen müssen, weil es so rapide bergab ging. Vielleicht führt diese Herangehensweise sogar dazu, dass der Börse komplett den Rücken gekehrt wird.
Warum denken wir in solchen Phasen eigentlich ans Verkaufen und bekommen Panik? Eine psychologische Erklärung finden wir in der „Verlustaversion“. „Unter Verlustaversion versteht man in der Psychologie und Wirtschaftswissenschaft die generelle Tendenz, Verluste stärker zu gewichten als Gewinne des gleichen Betrags.“ (Uni Zürich) Kurz gesagt: Ein Verlust von 1.000 € schmerzt uns mehr, als ein Gewinn von 1.000 € uns freut. In Krisenzeiten tendiert man deshalb dazu, schnell zu verkaufen.
Halten wir also fest: Die aktuelle Marktlage allein ist kein sinnvoller Verkaufsgrund. Sie kann aber ein Entscheidungskriterium sein – zum Beispiel, wenn du kurzfristig tradest oder dein Anlagehorizont kürzer ist.
Ansonsten solltest du über deine langfristige Strategie nachdenken. Denn „Zeit“ ist beim Vermögensaufbau dein bester Freund und ein viel besseres Kriterium. Zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Zeit ist dein größter Vorteil
Richten wir also unsere Aufmerksamkeit auf „Zeit„. Zeit spielt eine entscheidende Rolle beim Investieren. Aber warum genau? Sehen wir uns dazu das Renditedreieck des MSCI World an.
Ein Renditedreieck „zeigt […], die durchschnittlichen jährlichen Renditen für beliebige Anlagezeiträume, also Kombinationen von Kauf- und Verkaufszeitpunkten auf Jahresbasis. Dabei wird auf der horizontalen Achse das Erwerbs- bzw. auf der vertikalen Achse das Verkaufsjahr aufgetragen. Die somit im Schnitt erzielte annualisierte Rendite kann am Schnittpunkt dieser beiden Koordinaten abgelesen werden.“ – boerse.de

Szenarien
- Links im Diagramm sehen wir sofort einen fetten roten Block. Hätten wir also im Krisenzeitraum 2007 investiert und wären 2012 ausgestiegen, hätten wir eine durchschnittliche jährliche Rendite von -1,4 % gemacht. Nicht besonders toll.
- Hätten wir aber bis 2024 durchgehalten, wären wir bei durchschnittlich 7,3 %.
- Noch ein kurzfristigeres Beispiel: Hätten wir 2021 investiert und sofort verkauft wären wir bei -14,2 %! Ein Jahr später sind wir aber schon wieder im grünen Bereich.
In diesem Renditedreieck ist sichtbar, dass wir sogar oft bei einer kurzfristigen Investition belohnt worden wären, z. b. in den Jahren 2011-2013 oder im Jahr 2018 und 2020. Diese massiven Renditen sind aber insgesamt weniger relevant, wenn wir uns alle Jahre ansehen. Zusätzlich profitieren wir bei einer langen Haltedauer vom Zinses-Zins-Effekt.
Nehmen wir also einmal an: Zeit führt wahrscheinlich zu einer positiven und höheren Rendite. Du verringerst damit dein Risiko, Geld zu verlieren.
Sehen wir uns noch ein Beispiel an. Wir wollen ja harte Fakten zum Thema „Zeit“ sammeln. Hier siehst du die Entwicklung des iShares Euro Stoxx Banks 15-30. Was sehen wir hier?

Szenarien
- Hättest du 2008 investierst, wärst du 2025 noch immer nicht im Plus.
- Hättest du aber vor 5 Jahren investiert, könntest du dich um einen Anstieg um 242 % freuen.
Was heißt das: Zeit ist wichtig, der Einstiegszeitpunkt kann relevant sein und noch wichtiger ist, in welches Asset du investierst. Der oben erwähnte Banken-ETF spezialisiert sich auf einen Sektor, ist also wenig diversifiziert. Der oben erwähnte MSCI World hat unterschiedliche Sektoren im Portfolio, ist höchstdiversifiziert und reduziert das Risiko einzelner Ausreißer.
Die drei zentralen Faktoren
Fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse und meiner Meinung nach zentralen Faktoren zusammen:
- Zeit ist dein Verbündeter. Langfristiges Investieren erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass du eine positive und höhere Rendite einfährst. Je früher du mit dem Investieren beginnst, desto besser. Je älter du wirst, desto sicherer solltest du tendenziell deine Investments planen.
- Diversifikation reduziert das Risiko. Ein breit gestreutes Investment (z. B. ein World ETF) schützt besser vor Schwankungen als eine Einzelaktie oder ein Sektor-ETF. Setzt du auf einen Banken-ETF und es rasselt gerade Banken in die Krise? Dann kann es sein, dass du auch nach über 10 Jahren noch keinen positiven Return hast. Setzt du nur auf eine Einzelaktie ist das Risiko hoch, dass du vielleicht Pech mit der Entwicklung hast (natürlich hast du hier aber auch die Möglichkeit eine sehr hohe Rendite einzufahren, sieh dir z. B. mal Rheinmetall auf Onvista an. Es gibt hier wieder feine Nuancen, aber im Sinne der Einfachheit bleiben ich hier etwas allgemeiner).
- Der Einstiegszeitpunkt kann relevant sein. Der Zeitpunkt, zu dem du investierst, kann einen Einfluss auf deine Rendite haben. Besonders bei wenig diversifizierten Anlagen im Depot. Da Kursentwicklungen nicht zuverlässig vorhersehbar sind, bleibt das Timing des Marktes aber immer mit Unsicherheit behaftet. Doch dieser Faktor relativiert sich mit Punkt 1: Wer langfristig investiert, gleicht kurzfristige Schwankungen aus und minimiert das Risiko, zur falschen Zeit gekauft zu haben.
Diese Faktoren stehen in einer Wechselbeziehung. Insgesamt heißt das also, dass immer die Strategie, die Risikobereitschaft und die Lebenssituation relevant sind. Bist du jung und willst ein Vermögen aufbauen, lohnt sich langfristig zu denken, Geduld zu haben und diversifiziert zu investieren. Bist du älter, könntest du eher an Absicherungsstrategien denken und nicht mehr so risikohaft investieren.
Die nächsten Schritte
Was würde ich mir selbst raten?
- Ich bin jung? Die Zeit eine positive Rendite zu erhalten spricht statistisch für mich. Ich kann Risiken eingehen und Marktkorrekturen und Krisen aussitzen. Ich muss Geduld haben und kann in einen breit gestreuten ETF investieren, der gut diversifiziert ist. (Ich selbst habe übrigens ein Core-Satellite-Portfolio aufgebaut; Core = World-ETF, Satellites: Aktien, ETFs…)
- Ich bin älter? Verkaufen könnte eine Option sein, wenn sehr risikofreudig investiert wurde. Denke vielleicht über an ein Umschichten in weniger risikobehaftete Assets nach.
Was heißt jung und alt? Für mich: Jung = je jünger desto besser. 😉 Alt = Man könnte sich nach der durchschnittliche Lebenserwartung richten. Die liegt in Deutschland bei Frauen bei 83 Jahren und bei Männern bei 78 Jahren. In Österreich bei 79 und 84. Auf Basis dieser Daten könntest du entscheiden, wie du dein Geld investierst (Beispielsweise ab 65 trotzdem noch volles Risiko, um für die nächste Generation investieren; oder ab 65 ein Entnahmeplan mit sicheren Anteil am Tagesgeld und der Rest an der Börse veranlagen etc.). Das ist aber schon wieder ein ganz eigenes Thema und soll hier in dem Beitrag nicht weiter beschrieben werden.
Wenn du dich also gerade fragst, ob du jetzt „alles“ verkaufen solltest, frage dich besser, welche Strategie du verfolgst, welches Risiko du eingehen kannst und in welchem Lebensabschnitt du dich befindest.
Was sagst du dazu? Korrekte Analyse oder würdest du noch etwas hinzufügen oder korrigieren? Ich bin gespannt.