Mein Denkfehler: Buy and Hold – bis der Tod uns scheidet?

Buy and Hold-Anleger sind die Feinschmecker unter den Investoren. Sie sitzen lange in den Börsen-Restaurants und genießen ihr Wertpapier-Gericht. Ganz im Gegensatz zu den Fast-Food Junkies, die im Minutentakt die Speisen wechseln. Aber wie lange soll der hiesige Investor an seiner Mahlzeit festhalten? „Lange?“, antwortete ich mir selbst und erlag einem Denkfehler.

Es geht bergab. Egal, wir denken langfristig.

Wie von einem Himmelschor heruntergeplärrt dröhnt dieses Mantra auf mich ein. Aber auch weltlicher Sing-Sang versucht zu beeinflussen: Instagram-Investment-Gurus zeichnen schicke Pfeile in Charts und erwähnen gebetsmühlenartig wie ein Hare-Krishna Mönch den Vorteil einer langen, nein wirklich sehr langen, also wirklich extrem langen Haltedauer von Wertpapieren.

Buy and Hold wird fast immer auf ein „ewiges Halten“ runtergebrochen. Und klar, warum eigentlich nicht? Wenn ich mir die Charts ansehe, ist das doch auch eine gute Entscheidung, oder? Das dachte ich zumindest.

Was ist aber, wenn ein Wertpapier 30, 40, 50% ihres Werts verliert? Es kommt natürlich darauf an. Eine einfache Antwort wäre schön. Wir sehen uns das noch genauer an. Was wir allerdings beachten müssen ist, dass ein Verlust von 50% einer zukünftigen Wertentwicklung von 100% darstellt.

Hin und Her macht Taschen leer. Buy and Hold kann das auch.

Der ständige Kauf und Verkauf von Wertpapieren ist ein Renditekiller. Aber keine Angst, Buy and Hold kann das auch. Beispiel: Ein Buy and Hold Anleger kauft das Unternehmen XY. XY legt eine gute Entwicklung hin, und das mehrere Jahre – sagen wir 10. Nach den 10 Jahren kommt es zu einem Verlust von 30% des Werts. Der Buy and Hold Anleger denkt sich jetzt, dass das eh nicht so schlimm ist, weil langfristig alles gut wird.

Natürlich kann ein Verlust eine Korrektur oä. sein. Aber was, wenn nicht? Und hier lag mein Denkfehler. Wenn ein Unternehmen derartige Verluste einfährt, kann ich es zwar weiter halten, oder den Sachverhalt genauer ansehen. Denn es kann auch sein, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten steckt. Dann lautet die Fragestellung: Was sind die Opportunitätskosten? Wir können zwar nicht Hellsehen, aber zumindest die subjektive Wahrscheinlichkeit bestimmen, wie es mit dem Unternehmen weitergeht.

Klartext: Das heißt, auch als Buy and Hold Investor ist ein Verkauf vor dem persönlichen Ablaufdatum sinnvoll. Wichtig ist, auch eine Strategie für solche Fälle parat zu haben. Dazu stelle ich mir folgende Fragen:

  1. Welche Verluste nehme ich in Kauf?
  2. Liegt das am Unternehmen selbst und warum?

Auch Verkaufen ist erlaubt

Buy and Hold hieß für mich immer: langfristig ist alles gut. Das kann so sein. Wichtig ist aber, bei Verlusten trotzdem das Unternehmen kritisch zu bewerten und sich zu fragen, ob es wirklich nachhaltig ist, daran fest zu halten. Denn ein Schiff mit einem kleinen Leck geht irgendwann auch unter.

6 Kommentare zu „Mein Denkfehler: Buy and Hold – bis der Tod uns scheidet?“

  1. Echtes Buy und hold forever geht nur mit ETFs das macht ja genau den Vorteil auf – nie wieder grübeln ob halten, verkaufen oder nachkaufen ….
    Zum spielen habe ich meine P2P Ecke 😉

    1. Joah, die ETFs sind da die beste Möglichkeit nichts bis wenig zu tun. Da ich aber noch Einzelaktien halte, muss ich mich mit dem Buy and Hold Thema auch beschäftigen 😉

      LG
      Johannes

  2. Ohne Timing funktioniert auch Buy and Hold nicht – genau das ist ja die Kunst an der Sache 😉 Auch als langfristiger Anleger sollte ein (zumindest gedanklicher) Stop-Kurs beim Kauf mit eingeplant werden.

  3. Das Problem bei kaufen-und-halten von Einzeltiteln ist daß es nur sehr wenige langfristige Gewinnerunternehmen gibt. Der amerikanische Professor Hendrik Bessembinder hat dazu verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Je nach Aktienmarkt beträgt die Quote 1 zu 25 (USA) bis 1 zu 100. Wobei die Schwierigkeit besteht mit den Informationen von heute diese langjährigen Gewinnerunternehmen unter der überwiegenden Anzahl von mittelmäßigen und Verliererunternehmen zu identifizieren. Die meisten großen Börsenindizes haben deshalb einen positiven Erwartungswert weil die tatsächlich gigantischen Gewinne von einigen Überfliegeraktien die mittelmäßige bis negative Wertentwicklung der allermeisten anderen Indexmitglieder überkompensiert. Trotzdem können auch Verliereraktien Zeiträume mit hohen Wertsteigerungen aufweisen, siehe beispielsweise viele Neue-Markt-Werte bis 1999 oder das Unternehmen Solarworld. Leider gelingt es selbst Experten nicht diese langjährigen Gewinneraktien im Voraus zu identifizieren. Deshalb rentieren die meisten investment- und Hedgefonds schlechter als marktbreite Indizes – speziell nach Kosten.

    Hier sind die amerikanischen Gewinnerunternehmen der letzten 30 Jahre aufgeführt:

    https://compoundadvisors.com/2020/the-top-30-stocks-over-the-last-30-years

    Trotzdem kennen auch langjährige Gewinnerunternehmen deutliche Kursrückgänge wo viele Investoren zweifeln ob der Erfolg und das Wachstum des Unternehmens sich zukünftig fortsetzen wird.

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